Untergare
Dieser gedrungene Querschnitt kommt dir bekannt vor? So beginnt (fast) jede Sauerteig-Reise. Auch wenn man sich natürlich sehr freut, dass der eigene Sauerteig überhaupt fähig ist, einem Teig etwas Leben einzuhauchen, sind diese vereinzelten Löcher logischerweise nicht das Gelbe vom Ei! Solche Brote sind sehr dicht, “klobig” und schwer.
Problem: krasser Fall von Untergare, weil man sich noch nicht an die längeren Gärzeiten von Sauerteigbroten gewöhnt ist. Und: man hat noch nicht die nötige Erfahrung/Sensibilisierung für die Beurteilung des Teiges. Die abhängig von der Teigtemperatur und dem Teig (Rezept) selbst ist. Auch möglich: die Starterkultur war zu wenig aktiv.
Spezifikationen: sehr aktive Starterkultur, 2x Falten nach 20 und 40 Minuten, 1 Stunde Stockgare (TT: 23 °C), 30 Minuten kalte Stückgare.
Untergare
Ah… schon besser, aber noch immer nicht am Ziel! Eins ist klar: Untergare ist im Sauerteig-Business ein sehr verbreitetes Phänomen.
Denn einerseits geht es halt einfach länger, bis wilde Kulturen einen Teig lockern können. Andererseits arbeiten Sauerteig-Neulinge oft mit Sauerteigkulturen, die zu wenig aktiv sind. Mein Tipp: Sauerteigkultur immer schön aktivieren vor der Teigherstellung (zum gratis Sauerteigtutorial), Teig durch Falten optimal strukturieren und – was die Länge der Fermentation betrifft, Mut beweisen und die Grenzen ausloten. Und zwar meine ich primär bei der Stockgare. Denn die Hoffnung, dass es dann “schon noch gut kommt”, wenn der Teig im Gärkorb liegt, muss ich leider zerschlagen – falls du auf der Suche nach dem perfekten Brot bist…
Übergare
Nachdem ich den Teig in den Gärkorb gelegt habe, wollte ich ihn noch 15 Minuten bei Raumtemperatur stehen lassen und dann über Nacht in den Kühlschrank stellen. Leider vergass ich ihn komplett und er gärte noch fast 90 Minuten (bei ca. 26 ° wegen Sommerhitze!) weiter. Ich sah sofort, dass er über den Zenit war, weil er oben bereits leicht zusammengefallen war und die Spannung verlor. Trotzdem stellte ich ihn natürlich in den Kühlschrank und schraubte die Temperatur auf 4 °C herunter. Das Brot gleich zu backen hätte definitiv in einem Fladenbrot resultiert. Durch die Übernachtgare wurde der Teig immerhin maximal stabilisiert.
Am nächsten Tag habe ich den Teig wie üblich direkt aus dem Kühlschrank auf ein Backpapier gestürzt. Übergärte Brote sollte man nicht tief einschneiden, denn sonst kollabiert der Teig total. Deshalb ritzte ich ihn – dem Gärzustand entsprechend – nur recht oberflächlich ein. Die grosse Kunst ist zu entscheiden, wie tief man noch gehen kann, damit man das Optimum aus einem solchen Teig rausholen kann. Ist Erfahrungssache. Das Brot wurde äusserlich trotzdem recht schön, der Ofentrieb war nicht berauschend aber ok. Die Übergare sieht man ganz klar an den kleinen Gärkammern im unteren und oberen Teil des Brotes und an der etwas unkontrollierten Krume in der Mitte des Brotes. Die Gärkammern waren zwar vorhanden, hatten aber nicht mehr die Kraft, sich während des Backens aufzuplustern.
Übergare
Nun gut. Das sieht jetzt auf den ersten Blick eigentlich noch recht optimal aus. Und ich muss zugeben, dieses Brot war auch wirklich wunderbar. Trotzdem ist es ein eindeutiger Fall von Übergare. Was ich übrigens bereits festgestellt habe, als ich den Gärkorb aus dem Kühlschrank nahm. Denn: der Teig war enorm aufgegangen und als ich den Finger zum Überprüfen des Gärzustandes seitlich in den Teig drückte, blieb der Eindruck und sprang nicht zurück. In solchen Fällen ist es wie gesagt wichtig, clever zu handeln um das Schlimmste – nämlich ein komplett flaches, weil durch tiefe Schnitte zusammengefallenes Brot – zu vermeiden. Deshalb ritzte ich das Brot vor dem Backen nur sehr oberflächlich ein. Ich hätte hier auch komplett auf einen Schnitt verzichten können, das geht dann aber leider zulasten der Optik.
Auch hier ist eindeutig zu sehen: die Luftkammern sind zwar ausreichend vorhanden, konnten sich aber durch die Übergare im Ofen nicht mehr zu meiner vollen Zufriedenheit entwickeln. Das Brot ist zudem ein bisschen blass und von der Form her eher gedrungen.
Gärzustand falsch eingeschätzt
Ups… was auf den ersten Blick spektakulär ausschaut, ist natürlich ein Brotfehler! Problem: ich habe den Teigzustand nicht korrekt eingeschätzt. Heisst: ich hätte den Teig viel tiefer einschneiden müssen. Was ich nämlich wollte: viele gleichmässig aufspringende Schnitte dem Schablonenabdruck entlang. Und das kleine Kakao-Pünktli hätte dann präzise in der Mitte sein sollen. Da der Teig jedoch noch keine Vollgare hatte – also im Ofen noch einen starken Trieb entwickeln konnte – haben sich die Gärgase den Ausweg dort gesucht, wo die Schnitte am tiefsten waren. Heisst, wo es für sie am einfachsten war zu entweichen. Hätte ich die Teigkugel tiefer eingeschnitten wäre eine leichte Ungleichmässigkeit bei der Tiefe der Schnitte nicht so ins Gewicht gefallen. Schade ist auch, dass ein solches Brot nie sein ganzes Potenzial entfalten kann, da einige der Gärgase im Brot eingeschlossen werden (und in den nicht optimal entwickelten Luftkammern ersticken!). Brote optimal einschneiden erfordert sehr viel Erfahrung, v.a. wenn man noch den künstlerischen Aspekt einbringen will. Die Frage ist immer: was kann der Teig ertragen? Was ist ideal? Wie tief kann/darf ich einschneiden? Die Antwort gibt der Gärzustand des Teiges.
Brot nicht eingeschnitten
Ui… jetzt kommt es noch dicker! Dieses Brot habe ich in der Hektik des Gefechts und nach einem langen Shooting-Tag gänzlich vergessen einzuschneiden… oder war ich so hin und weg von der schönen Schablonen-Verzierung? Die Folge, ein solches Brot nicht einzuschneiden ist, dass sich die Gärgase dort einen Weg nach draussen suchen, wo sie den geringsten Widerstand haben. Und das ist allermeistens am unteren Rand des Brotes. Schade auch, dass die Gärgase trotz des “Notausgangs” noch viel luftigeres Brot hätten produzieren können – bei korrektem Einschneiden. Willkürliche “Ausbrüche” sind auch ein häufiges “Problem”, wenn das Brot zu wenig tief eingeschnitten wurde. Einzig Brote, die bei Vollgare gebacken werden, können ohne einzuschneiden optisch und vom Volumen her perfekt ausgebacken werden.
Nicht bedampft
Zwischen der ansprechenden, knusprigen Baguette links und dem “Krüppelchen” rechts liegen gerade mal 20 Minuten. Gleicher Teig, gleiche Gare, gleich eingeschnitten. Was ist passiert? Ganz einfach: ich habe das “Krüppelchen” absichtlich nicht bedampft. Die Folge? Die Teighaut trocknete schnell aus und war deshalb nicht mehr elastisch. Die Gärgase waren im Baguette gefangen, das Brot konnte sich nicht zur vollen Schönheit entwickeln. Die Gärgase suchten sich den Weg des geringsten Widerstandes und die Baguette-Einschnitten lassen sich nur erahnen. Zudem: nicht bedampfte Brote sind matt, farblos. Wie du im Haushaltsbackofen optimalen Dampf erzeugst und wie lange du normalerweise beschwaden solltest: hier lang.
Zu flüssiger Teig und zu lange Stückgare.
Dieser Fall könnte ebenfalls mit “jammern auf hohem Nivau” abgetan werden. Denn in der Tat war das Brot trotz Brotfehler köstlich und auch innen recht luftig. Ein dunkles Roggenbrot mit toller Farbe dank Zuckerrohr-Melasse. Und mit Kümmel-Topping. Einzug in mein neues Buch wird dieses Brot hier trotzdem nicht halten und es wird morgen nochmals gebacken. Denn es hat offensichtlich einen gravierenden Brotfehler. Die Krume spaltet sich im oberen Bereich. Warum? Der Teig war einerseits zu weich, andererseits habe ich vergessen den Timer zu stellen und die Stückgare war mindestens 15 Minuten zu lang. Das Brot hatte zwar anfänglich noch etwas Ofentrieb, fiel aber dann in sich zusammen und fiel nicht so stolz aus wie gewünscht. In dieser Kombination ist dieses Resultat nicht erstaunlich – aber trotzdem immer wieder interessant anzuschauen. Auch wenn es mich natürlich total geärgert hat. Denn dieses Brot teste ich schon seit längerem. Stay cool!